Lügen wir immer?

Die Wahrheit über das Lügen

Grosses Interview in der Fachmaturarbeit von Tabea Leu

Frau Leu erarbeitete sich eine hervorragende Fachmaturarbeit zu einem der begehrtesten Themen im Bereich der nonverbalen Kommunikation:

«Lügen erkennen mithilfe der verräterischen Körpersprache».

Auch ich konnte Frau Leu bei Ihrer Arbeit helfen. Sie quetschte mich in einem langen Interview zum Thema Lügen aus und ich freue mich, dieses Interview hier zu posten.

Interview mit Etienne Dubach

Erzählen Sie bitte kurz, wie Sie überhaupt zum NLP (Neuro Linguistisches Programmieren) gekommen sind und ob Sie sich schon immer für Kommunikation interessiert haben.

Ich war ursprünglich Koch und habe immer gerne die Menschen beobachtet in diesem turbulenten Beruf. Mit der Zeit erkannte ich, dass es für mich spannender ist, zu erkennen wie kleine Dinge in der Kommunikation eine grosse Wirkung haben. Nach dieser Einsicht suchte ich nach Möglichkeiten, wie ich vertieft die grosse Wirkung von kleinen Dingen erlernen kann.  So fand ich NLP (Neuro Linguistisches Programmieren), welches als Coaching- und Kommunikations- Methodologie viele nonverbale Aspekte nutzt. Mit 27 Jahren habe ich mich dann einerseits auf Körpersprache spezialisiert, andererseits gleichzeitig im NLP bis zum NLP Lehrtrainer und Coach weitergebildet.

Wie würden Sie Lügen definieren?

Ich habe mir darüber viele Gedanken gemacht und ich zitiere jetzt auch keine Definition aus Wikipedia. Ich spreche aus meinem interkulturellen Wissen,  aus der Sicht von NLP und aus meinen persönlichen Erfahrungen.

Für mich ist Lügen wenn wir

  • gewisse Fakten unterlassen, die die Person benötigen sollte, damit sie das gleiche Wissen wie wir hat.
  • Fakten verändern, damit die andere Person zwar eine Information erhält, diese Information aber nicht ganz der Realität entspricht.
  • etwas komplett Neues erfinden und es als Fakt darstellen, um die andere Person zu täuschen.

Sind es also quasi auch Lügen für Sie, wenn man einfach Informationen weglässt, die der andere vielleicht braucht, um das so zu verstehen?

Das kommt immer auf den Kontext an. Aber grundsätzlich: Ja.
Wenn ich eine Information nicht preisgebe, und diese Information wäre wichtig, damit die andere Person eine gute Entscheidung treffen kann, dann ist das aus meiner Sicht als Lüge zu definieren.

Ein Beispiel: Angenommen, ich spreche eine eine Frau auf der Strasse an und würde mit ihr flirten. Sie fände mich interessant und wir verabreden uns für ein Date.
Nehmen wir weiter an, dass ich bereits verlobt bin.
Obwohl ich verlobt bin, habe ich diese Info nicht an mein Date weitergegeben. Ich habe also der anderen Person Informationen vorenthalten, welche sie bräuchte, um eine moralisch gute Entscheidung zu treffen.

Können denn Lügen auch einen positiven Nutzen haben?

Ja. Lügen können je nach Kontext diplomatische Lösungen sein. Eine Lüge ohne negative Konsequenzen für die belogenen Person können helfen, dass die Kirche im Dorf bleibt. Diese Art von Lüge wird entsprechend unserer sozialen Prägung als gut oder schlecht bewertet. Da kommt es darauf an, was ich in meinem Elternhaus als Richtig oder Falsch erlernt habe. Kulturell gesehen entspringen manchmal auch Konflikte aus solch diplomatischen Lügen

Ein Beispiel dazu:
Meine Frau stammt ursprünglich aus dem Irak kommt und in der arabischen Kultur ist es in der Kommunikation sehr wichtig immer sehr diplomatisch zu sein. Die Mutter meiner Frau ist der diplomatischste Mensch den ich kenne.
Es war März 2020 und wir waren kurz vor dem ersten  Corona Lockdown. Ich und meine Frau hatten ein Reise nach England angetreten für 5 Tage und Die Mutter meiner Frau sollte auf die Kinder aufpassen bei uns zuhause.
Weil die aber Mutter am kränkeln war, konnte sie nicht in unserem Haus schlafen. So schliefen die Kinder im Haus meiner Schwiegermutter. Wenn wir dies gewusst hätten, hätten wir unsere Reise abgebrochen, da wir nicht meine Schwiegermutter nicht zu stark belasten wollte.  Aber meine Schwiegermutter erwähnte nichts und wir erfuhren erst bei unserer Rückreise davon. Zuhause. Die Mutter meiner Frau unterliess es also, uns den Planwechsel mitzuteilen- weil sie wusste, dass wir sonst direkt zurückgekommen wären. Das könnte man als diplomatische Lüge oder auch Notlüge bezeichnen.  Aber sie hat einem etwas erzählt, was dann nicht gestimmt hat. Sie hat gesagt ja sie sind Zuhause, aber sie hat nicht gesagt in welchem Zuhause.

Danke für das Beispiel. Welche Motivation führt Menschen dazu, zu lügen?  Oder anders gefragt: Welche Vorteile versprechen wir uns? Bei der Mutter von ihrer Frau war es ja quasi eine Angst vor Konsequenzen oder einfach einen Streit, dem sie aus dem Weg gehen wollte und deswegen hat sie gelogen.
Was würden Sie sagen, was ist unsere Motivation zu lügen?

Zur Ergänzung von der Geschichte meiner Frau und ihrer Mutter: Die Motivation dahinter war, dass sie nicht wollte, dass wir unseren Kurzurlaub abbrechen. Der Konflikt, welcher entstehen konnte, war ihr nicht wichtig. Sie wollte, dass wir die Zeit geniessen, weil das aus ihrer Sicht höhere Priorität hatte, als dass sie die Wahrheit sagt und wir nach Hause kommen. Sie dachte, die Notlüge sei für unseren Vorteil, also war es eigentlich eine noble Lüge.
Und um die weitere Frage aufzugreifen: Was ist die Motivation hinter der Lüge?
Jeder Mensch verfolgt im eigenen Leben, einfach erklärt, nur zwei Dinge.

Entweder er möchte

  1. Vergnügen verstärken
  2. Schmerz vermindern

Es geht hier um das sogenannte «pain-pleasure principle».
Haben sie das vielleicht schon einmal gehört? Vergnügen steigern oder Schmerz vermeiden sind zwei Antriebe, die uns immer begleiten.
Je nach Moral kann es sein, dass jemand lügt oder eine Notlüge nutzt, um entweder
– sich selbst zu bereichern oder
– damit es jemand anderem nicht so schlecht geht.

Beispielsweise fragt mich mein niedergeschlagener und kranker Bruder, ob es meinem Bekannten Martin gut geht.  Ich weiss aber, dass Martin letzte Woche verstorben ist.  Sage ich nun die Wahrheit oder lüge ich?
Wenn ich weiss, dass es meinem Bruder schlecht geht, möchte ich nicht, dass ihn meine Nachricht vom Tod des Bekannten noch schlechter fühlen lässt. Ich muss mich entscheiden, ob ich ihm jetzt die Wahrheit sage oder lüge.
Wenn ich eine Lüge gestalte, könnte ich sagen
– Ich weiss nicht, wie es meinem Bekannten geht.
– Es geht meinem Bekannten gut!

Das sind beides Lügen.
Es ist immer eine Frage der eigenen Moral oder der eigenen Ethik.
Wie sie geschrieben haben, jeder lügt mehrmals am Tag auch zu sich selbst. Und viele Lügen sind legitim aus der Sicht, aus der Perspektive desjenigen, der lügt. Es lügt grundsätzlich nicht jemand einfach, weil er ein schlechter Mensch ist.

Uns wird als Kindern ja immer beigebracht, dass Lügen etwas Schlechtes ist. «Man soll nicht Lügen».
Es wird aber auch gleichzeitig erwartet, der eigenen Grossmutter ein Kompliment für den Kuchen zu machen, obwohl er schrecklich schmeckte.
Das ist ja eigentlich ein Widerspruch in sich.
Lügen ist ja, wenn man das so sieht nicht unbedingt etwas Schlechtes, oder?

Ja, aus unserer  westlichen, gesellschaftlichen Sicht und unserem moralischen Verständnis her fängt eine Lüge dann an schlecht zu sein, wenn sie jemand anderem schadet.
Wenn wir eine Lüge nutzen und diese Lüge hilft nur uns persönlich oder schadet jemand anderem, ist es eigentlich eine destruktive Lüge. Es gibt aber auch konstruktive, hilfreiche Lügen, die unterstützen. Diese Lügen sind wie ein Leim der Gesellschaft und kann unsere Gesellschaft besser zusammenhalten. Um beispielsweise keinen Familienstreit zu provozieren, sagen wir dem lästigen Schwiegervater dass er jederzeit willkommen ist- obwohl er de facto überhaupt nicht willkommen ist. Oder wir sagen ihm «Ja, natürlich lieben wir dich», obwohl wir das nicht wirklich so fühlen.

Diese Form von Notlüge ist wie sozialer Leim der uns zusammen hält.

Was es noch zu ergänzen gäbe: Das Wort Notlüge ist in unserem Beispiel ein bisschen fehlgegriffen. Es ist in dem Moment keine Not vorhanden. Wir können der Schwiegermutter auch sagen: «Nein wir möchten nicht, dass du kommst.» Aber das bringt uns dann noch nicht in eine Not, wenn wir die Definition Not anschauen. Ich will hier nicht Wörter auseinander pflücken, aber für mich gibt es mehrere Arten von Lügen. Es gibt nicht nur eine Notlüge oder eine richtige Lüge. Es gibt eben zum Beispiel auch gesellschaftsunterstützende Lüge oder friedensunsterstützende Lügen.

Im Internet findet man 1000 Tricks, die uns zeigen, wie man einen Lügner entlarven kann. Ist es tatsächlich möglich einen Lügner an nonverbalen Hinweisen zu entlarven?

Grundsätzlich ja. Man braucht meist aber eine gewisse Vorbereitungszeit.

Und was würden Sie sagen sind solche Merkmale, an denen man eine Lüge entlarven kann?

Vielleicht als einfachste und als meistens zutreffendste Grundregel:
Eine Lüge oder eine innere emotionale Aufgewühltheit (was ja eine bewusste Lüge verursacht kann) erkennt man durch ein verändertes Verhalten von der lügenden Person. Wenn jemand sein normales und typisches Verhalten -die sogenannte Baseline- verändert. Dann ist das ein Indiz, dass da psychisch im Vorfeld etwas passierte.  Dies kann eine Lüge sein, muss aber nicht.

Was man im Internet sonst immer liest, sind diese typischen Aussagen, wie

  • jemand fast sich an die Lippen oder an den Mund
  • jemand kratzt sich am Unterarm oder an der Hand,
  • jemand knetet seine eigenen Hände, diese Verhalten gehört zu den beruhigenden Selbstberührungen.
  • jemand schaut weg, andere Lügner starren dir direkt in die Augen.
  • vermehrtes Blinzeln

Es gibt zu all diesen Indizien keine 100% Aussage, dass eine bestimmte Bewegung, eine bestimmte Gestik immer eine Lüge bedeutet. Das wäre ein Fehlschluss.

Also es gibt demnach keine bestimmten Merkmale, auf die man achten kann, die dann eine Lüge ausweisen?

Emotional hat jeder Mensch Momente, in denen er sich seines eigenen Verhalten sehr bewusst ist. Und in anderen Momenten ist er es sich weniger bewusst. Mal sind sie fokussiert, mal unfokussiert. Und es gibt eben auch Momente, in denen er oder sie sich emotional unwohl fühlt. Eine Lüge führt eine ungeübte Lügner/in dazu, sich unwohl zu fühlen.
Wenn wir erkennen können, dass er sich plötzlich unwohl fühlt, dann ist das ein Indiz, dass es eine Lüge sein kann.  Die untypischen Bewegungen sind dann öfters Selbstberührungen (sich selbst die Hand kneten, den Unterarm, die Nase reiben)
Bei Bill Clinton war dies ein klassisches Beispiel. Bill Clinton faste sich bei den Anschuldigungen in der Lewinsky Affäre überdurchschnittlich oft an die Nase. Dies war ein untypisches Verhalten, welches anzeige: «Ah, da passiert etwas emotionales in Bill Clinton. Da ist ein innerer Stress!»

Äussert sich Lügen bei Menschen ähnlich oder ist das Verhalten unterschiedlich, abhängig von der Persönlichkeit der lügenden Person?

Jeder hat seine eigene Form, wie er mit Lügen umgeht.
Einige sind erfahrene Lügen-Profis, andere sind Amateure oder Anfänger, sogenannte Lügen-Kücken.
Ein Anfänger beispielsweise schaut bei einer Lüge weg. Wenn ich meinen Sohn frage: «Hast du das Glas kaputt gemacht?»,dann würde er erst  wegschauen und antworten: «Nein er war ich nicht». Seine Stimme wird dann meist leiser und wirkt unsicher.
Ein Amateur schaut sie direkt an. Der starrt sie an, weil er weiss dass ein Lügner wegschaut. Also macht der Amateur da Gegenteil, um eben nicht als Lügner zu wirken. Der Amateur sagt sich «ich muss jemanden anschauen, wenn ich lüge, damit es nicht auffällt». Dieser Amateur starrt sie dann an und lügt ihnen ins Gesicht und hofft dann, dass er sie damit überzeugt.
Der Profi Lügner schafft es, dass die Lüge eben sein Verhalten nicht verändert. Er agiert nonverbal genauso weiter, wie vor der Lüge.

Das heisst es ist meistens eher Spekulation, ob jemand lügt oder nicht?

Wir sollten nicht von einem einzigen nonverbalen Indiz auf eine Lüge schliessen. Dass ist unmöglich. Wir brauchen bei der Beobachtung der Körpersprache immer mindestens drei Indizien, welche alle auf eine Lüge hinweisen.

Also nehmen wir mal an, ich eine Partnerin und ich habe den Eindruck, sie gehe vielleicht fremd.
Dann würde ich sie zur Rede stellen und direkt mit meiner Vermutung konfrontieren.
„Gehst du fremd?“
Nun muss ich mal schauen, was passiert.
Entweder sie ist entrüstet: „Warum solltest du mich das fragen?“.
Diese Überraschung wär Indiz Nummer 1. Die Augen aufreissen ist ein Überraschungszeichen.

Vielleicht errötet sie auch plötzlich. Das wäre ein körpersprachliches Zeichen von Nervosität. Indiz Nummer 2.
Reicht diese Indizien schon? Nein.
Wenn die Partnerin sich bei Ihrer Rechtfertigung öfters an die Nase fasst, haben sie 3 Indizien.
Danach schaut sie während des ganzen Gesprächs oft weg und sie bleibt nicht sitzen oder redet vielleicht nicht laut genug. Je mehr ich von diesen Indizien habe, desto sicherer kann ich mir sein, dass da etwas nicht stimmt.

Kann ich erlernen, Lügen besser zu erkennen aufgrund von Indizien?  

Ja natürlich!. Wir alle haben die Fähigkeit, die Person vor uns wahrzunehmen. Sie zu sehen, zu hören- ja sogar zu riechen. Wenn wir uns nicht nur auf einzelne lügenverräterische Gesten fokussieren, sondern auf den Menschen als Ganzes, dann merken wir wie bei dieser Person etwas komisch ist. Sie redet dann vielleicht schneller als normalerweise. Sie fasst sich mehr ins Gesicht als üblich. Sie wird rot, was sie normalerweise nicht wird.
Solche Veränderungen, die anders sind als das normale Verhalten (der sogenannten „Baseline“) sind verräterisch.

Können Sie, Herr Dubach, aufgrund ihrer langen Ausbildung, eine Lüge besser erkennen als ich?

Ohne Sie besser zu kennen, Frau Leu, würde ich jetzt mal behaupten ja.
Obwohl, sie sind eine Frau und ich ein Mann. Warum sage ich das?
Frauen haben grundsätzlich feinere und besser ausgebildete Sensoren als Männer. Sie nehmen einfach schon genetisch Menschen viel schneller wahr. Ich habe mir die feinere Wahrnehmung aber Berufes halber antrainiert, durch Empathie Training, durch die NLP Ausbildung usw. Daher glaube ich, den Menschen als Ganzes wahrzunehmen und so eine Lüge schneller zu entdecken.

Ich weiss nicht, wie gut Sie Lügen erkennen können. Das kommt auch auf ihre bisherige Wahrnehmungsschärfung an. Und es kommt darauf an, wie gut Sie sich auf eine Person einstellen können, sich quasi auf ein Verhalten einer Person eichen können. Dieser Prozess nennt sich Kalibrieren.
Kalibrieren bedeutet: Ich stelle mich auf jemanden ein und merke mir seine typischen Verhaltensweisen und Bewegungen. Wenn ich mich kalibriert habe, weiss ich wie sich diese Person in einer normalen Alltagssituation verhält. Wenn sich dann das Verhalten der Person verändert, fällt mir dies auf und ich bekomme eine eine Ahnung «Ah da stimmt etwas nicht».

 

Kann es sein, dass manche Menschen von Natur aus eine bessere Intuition haben, was Lügen erkennen anbelangt?

Ja durchaus. Obwohl ich würde das Wort «Intuition» mit Vorsicht geniessen.
«Intuition» wird in unserem generellen Verständnis oft als ein Talent oder als der siebte Sinn definiert. Im Bezug auf das Erkennen von Lügen passt das Wort «Intuition» aber weniger gut.
Meistens haben die Menschen, die andere bereits von Natur aus gut lesen können (und somit eine Lüge  schnell entdecken)  so ein bestimmtes Bauchgefühl. Diese Menschen merken dann «ich weiss nicht warum, aber der lügt mich an“.
Diese sogenannte Intuition hat im Grunde sehr oft mit der sensiblen und geschärften Wahrnehmung von anderen Personen zu tun.
Je schärfer und feiner gestimmt die Sinne Sehen, Hören und Riechen sind, desto leichter ist es, andere Menschen klar wahrzunehmen und zu «lesen wie ein Buch.
Und das wird oftmals genannt Intuition.

Um auf eine frühere Frage zurückgreifen:
Gibt Menschen, die so gut lügen können, dass sie es sogar selbst glauben? Kann man bei solchen Menschen eine Lüge noch entlarven? Ich nehme an, dass Gefühle, wie Angst und Nervosität bei der körperlichen Reaktion auf eine Lüge ausbleiben…

Das sind die besten Lügner, das sind dann die Profis. Da müsste Mann oder Frau tatsächlich auf einen Lügendetektor zurückgreifen, um den Lügner zu entlarven.
Wenn es jemand wirklich an seine eigene Lüge glaubt, ist es aus körpersprachlicher Sicht quasi nicht möglich, eine Lüge zu entdecken.
Jemand, der sehr geübt ist, aber noch nicht 100% daran glaubt, braucht trotzdem einen gewissen Energieaufwand, um eine Lüge zu präsentieren und als Wahrheit darzustellen. Wenn wir Menschen eine Unwahrheit erzählen wollen, müssen wir extra Denkarbeit leisten, da wir ja unseren Körper davon abhalten wollen, unsere Lüge zu verraten. Diese Denkarbeit kann man beispielsweise an einem öfteren Blinzeln erkennen.
Es kann sein, dass sich eine Person spontan eine Lüge zurechtlegen muss. In diesem Moment blinzelt die Person mehr oder wenn  kurz schaut in die Luft oder starrt eine viertel Sekunde auf den Boden. Dass das schon genügen, damit einer sich eine Lüge bereitlegen kann.

Zu beginn meiner Vertiefungsarbeit habe ich mir überlegt, ob ich vielleicht ein Interview mit einem Mentalisten auch noch führen will. Ich stehe dieser Sache ein bisschen skeptisch gegenüber, weil ich nicht genau weiss, wie ein Mentalist die Menschen so genau lesen kann. Haben Sie schon Erfahrungen damit gemacht?

Ich habe das Thema näher studiert. Ich mag beispielsweise die Bücher von Thorsten Havener. Er nennt sich Mentalist. Ein Mentalist hat ja keine magischen Kräfte. Er nimmt einfach die Person und alle kleinsten Unterschiede und Bewegungen wahr, oftmals gepaart mit ein paar manipulativen Tricks. Mein international favorisierter Mentalist &  Magier ist Derren Brown. Er nutzt auch NLP für seine Shows, aber er nutzt viele Tricks, um einen Menschen zu beeinflussen, damit die Menschen das sagen oder machen, was er möchte. Ein Mentalist ist jemand, der sie als Mensch sehr genau wahrnehmen kann. Ein Mentalist  interpretiert jedes Augenzwinkern, kann den Puls an der Halsschlagader des anderen erkennen, jeder Farbwechsel des Gesichts, die Grösse der Iris-  all dies kann er wahrnehmen und richtig einordnen. Auf Grund von dieser geschärften Wahrnehmung basiert dann seine Magie oder sein Zauber.

Denken Sie, dass sind erlernte Fähigkeiten oder auch ein Stück weit einfach Talent?

Es kann beides sein. Ich kenne einige Mentalisten, welche bei null angefangen und haben sich ihre Fähigkeiten antrainiert habe durch Üben, Üben, Üben.
Die eigenen Sinne schärfen: Dies ist so das, was beim NLP oder in der nonverbalen Kommunikation eigentlich der Anfang ist.
„Sensory acuity“sagt man dem auf Englisch. Also Wahrnehmungsschärfe. Das kann man lernen, aber es gibt auch einige Talente, die andere Menschen einfach wahrnehmen können, ohne Filter und ohne Ablenkung.
Ich glaube bei den meisten Menschen ist das Problem, das wir zu viele Filter haben, eigene Wahrnehmungsfilter, die uns daran hindern, den anderen Menschen so zu sehen, wie er ist. Wir nehmen den Menschen vor uns nicht so wahr, wie er ist, sondern wie wir sind. Diese falsche Wahrnehmung kommt von unseren eigenen Filtern. Ein Beispiel: Wenn wir verliebt sind, dann sehen wir den Partner oft mit der rosaroten Brille.  Mit dieser Brille sehen wir die anderen Person nicht so klar.

Möchten Sie zum Abschluss noch etwas sagen?

Man kann stundenlang über diese Themen reden.
Das wichtigste aus meiner Sicht zum Thema Körpersprache und Lügen ist:
Wenn Sie Lügen erkennen wollen, machen Sie sich eine Baseline vom Verhalten der Person.
Und danach prüfen Sie die Person mit ihren Fragen und dann wissen sie nach der Frage, ob sich die Person weiterhin normal verhält. Wenn Ja, dann sagt sie eher die Wahrheit.
Aber wenn Sie sich anders verhält, dann haben Sie Indizien, dass die Person ihnen jetzt vielleicht eine Lüge auftischt.

Heisst das man muss eine Person eine gewisse Zeit lang kennen, um Lügen bei ihr feststellen zu können?

Ja, das ist sehr hilfreich. Sie müssen sich auf jeden Fall zuerst auf die Person einkalibrieren. Das macht jeder Mentalist auch. Der braucht dann vielleicht nur 30 Sekunden. Ein bisschen Small Talk, ein oder zwei Fragen stellen und dann weiss der Mentalist, wie die Person reagiert. Das reicht eigentlich schon, dann hat der Mentalist seine Werkzeuge. Beim Lügen ertappen ist das genauso. Wenn sie ein Lügendetektor sein möchten, dann müssen sie sich erst einmal auf die Person einkalibrieren und dann können sie ihre Fragen stellen. Und dann schauen, wie die Person reagiert. Und aufgrund dieser verändernden Verhaltensweisen dann entscheiden, ob das gezeigte Verhalten ein Lügen-Indiz war oder nicht.

Danke vielmals, dass Sie sich die Zeit genommen haben mit mir dieses Interview zu führen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert